Liebe Sonntagsgrußleserinnen und Leser! Pfingsten

Eine Dialogpredigt von Gudrun Schlottmann und Lara Lipsius:

Gudrun Schlottmann: Hand in Hand arbeiten sie. Die einen tragen Steine, andere fügen sie zusammen. Manche rühren Mörtel an. Alle wissen, was zu tun ist, viele Worte brauchen sie nicht. Sie haben einen Plan: Sehr hoch soll ihr Bauwerk werden!

So erzählt es die Bibel in der Geschichte vom Turmbau zu Babel:

1.Mose 11, 1-9: 1 Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. 2 Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. 3 Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel 4 und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. 5 Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. 6 Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7 Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 8 So zerstreute sie der HERR von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. 9 Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.

Plötzlich sorgt Gott für Verwirrung, eine Sprachverwirrung. Keiner weiß mehr, was der andere tut. Die Mauern werden schief, bröckeln ab. Sie sprechen keine gemeinsame Sprache mehr für ihr großes Projekt und verlieren einander aus den Augen.

Lara Lipsius: So hatte sich das wohl keiner von ihnen vorgestellt. Was hatten sie zu Beginn für wundervolle Träume und Visionen? Höher und immer höher wollten sie und den Überblick über die Welt und die Kontrolle haben. Sie wollten sein wie Gott! Was war der Grund für ihr Bestreben? In Vers 4 lesen wir: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. Angst wird hier als Hauptmotiv genannt. Man wollte sich sicher fühlen, Herr der Lage sein, Kontrolle und den Überblick behalten, egal was kommen würde.

Doch der Traum zerplatzte. Das, wovor der Mensch am meisten Angst hatte, Zerstreuung und Kontrollverlust, traf ein. Gott schaltete sich ein. Der Mensch ist nicht wie Gott. Das erfuhren die Menschen damals und das tun wir auch heute immer wieder. In der Geschichte verwirrte Gott die Sprache der Menschen.

Und heute? Auch heute wird uns immer wieder, manchmal schmerzlich bewusst, dass wir nicht sind wie Gott. Wir haben nicht die Kontrolle über die Welt und das Leben. Gerade auch angesichts der Corona-Pandemie müssen wir erfahren: Wir sind nicht immer die Herren der Lage. Es gibt Dinge, die wir nicht beeinflussen können. Wir sind verwirrt!

Es wäre traurig, wenn das der Schlussstrich wäre, oder?

Gudrun Schlottmann: Pfingsten: Die Jüngerinnen und Jünger Jesu sind in Jerusalem beisammen. Alle an einem Ort. Sie waren Jesus nachgefolgt. Ein ganz neues Leben hatten sie mit ihm angefangen. Nun ist er nicht mehr da. Gestorben, auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist er. Das müssen sie erstmal verkraften, auch um ihren Glauben und ihre Hoffnung nicht zu verlieren. Zusammenhalten, dichthalten wollen sie. Und vielleicht haben sie auch Angst. Wie soll es weitergehen ohne Jesus? Ist alles vorbei?

Und dann kommt er über sie. Als wäre er da, den sie nicht mehr berühren können. Als wäre er leibhaftig da. Und sie fangen an zu reden. Der Geist löst ihre Zunge, sie sprechen in Sprachen, die ihnen eigentlich fremd sind. Plötzlich geht es. Sie werden verstanden. Parther, Meder, Elamiter… eine bunte Gemeinschaft. Alle hören sie in ihrer Muttersprache. Der Geist löst ihre Zunge.

Pfingsten 2021: Afghaninnen und Amerikaner, Chinesinnen und Deutsche verstehen einander und werden verstanden in dem Wunsch nach Leben in dem Wunsch, frei atmen zu können. Wir alle haben den Wunsch nach Berühren und Berührt werden, ohne Angst. Ja, die Angst hat uns im Griff, genauso wie die Menschen damals in Babel. Sie bauten einen Turm. Und wir? Was bauen wir gegen die Angst, welche auch immer es ist? Was bleibt uns?

Lara Lipsius: Als ich über diese Frage nachdachte, fand ich eine mögliche Antwort in meinem Briefkasten. Es war eine Karte von meiner Gemeinde in Marburg mit der Aufschrift: „You will receive POWER when the holy spirit has come on you.“ Das heißt übersetzt: Du wirst Kraft erhalten, wenn der Heilige Geist über Dich kommt. Dazu dann noch die Worte: Kraft, Energie, Begeisterung. Das kommt von Gott. Das verbinden wir mit Pfingsten.

Gott schaltet sich ein – immer und immer wieder. Sein Geist kommt, auch an unseren Ort. Und dieser Geist macht ansprechbar auf das, was uns bewegt. Er bringt nicht das Paradies auf Erden mit. Hier auf der Erde befinden wir uns immer noch an einem Ort, an dem es Angst, Krankheit und Leid gibt. Und doch hat sich etwas verändert. Mit Pfingsten und durch den Heiligen Geist erfahren wir, dass Jesus mit uns und für uns ansprechbar ist. Das gibt Kraft! Wir sehen durch und mit seinem Geist die Angst und die Verwirrung, doch wir wissen uns und unsere Angst aufgehoben bei ihm, der größer ist als wir. Wir können und dürfen den

Wunsch nach Kontrolle abgeben. Wir müssen nicht wie Gott sein und Türme bauen und für alles Sorge tragen. Wir dürfen vertrauen, dass Gott alles in Händen hält.So wie es auf der Karte steht: Kraft, Energie und Begeisterung. Dies wird besonders im Miteinander spürbar. Sie verbinden und fließen auch über die Abstände hinweg. Schauen wir uns die Bewegung an, wenn wir das Kreuz zeichnen und dabei Vater, Sohn und Heiliger Geist sprechen. Der Heilige Geist ist die Waagerechte. Er wird im Miteinander erfahrbar. Er treibt an, begeistert, liebt. Durch ihn verstehen wir einander in dem, was uns alle bewegt. Hand in Hand können wir so bereits hier in dieser Welt an seinem Reich mit bauen. Wir können miteinander tragen, was so schwer ist und uns ermutigen, manchmal einfach durch eine Geste, einen Blick, ein Lächeln, die sagen: Ich verstehe Dich! Der Antrieb dazu kommt von Gott, durch seinen heiligen Geist, den er uns Pfingsten schenkt.

Wir wünschen Ihnen und Euch ein frohes, gesegnetes Pfingstfest!

Herzlich grüßen, auch im Namen von Jutta Richter-Schröder und Hardy Rheineck,

Gudrun Schlottmann und Lara Lipsius

Lara Lipsius, die bei uns ihr Gemeindepraktikum gemacht hat, verabschiedet sich von uns. Wir danken ihr herzlich für die schöne gemeinsame Zeit und wünschen ihr Gottes Segen für ihren weiteren Weg.

 
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