Sonntagsgruß
14. Februar 2021 Estomihi
Rufe laut, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden! Sie suchen mich täglich und wollen gerne meine Wege wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie wollen, dass Gott ihnen nahe sei. »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst's nicht wissen?« Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit oder seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat? Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Heißt das nicht: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.
Jesaja, Kapitel 58

Liebe Leserinnen und Leser,

der Abschnitt aus dem Prophetenbuch des Jesaja enthält drei Teile. Zuerst ist da die Aufforderung an den Propheten, mit der Verkündigung nicht hinter dem Berg zu halten. Laut und deutlich soll er seine Stimme erheben.

Es folgt eine Klage Gottes, in der er dem Propheten erst ausführlich schildert, was ihn bedrückt und dann, wie er denkt. Der ganze Text ist also eine Anrede Gottes an den Propheten, der wir zuhören dürfen. Diese besondere Form des Mit-Hörens, was Gott in seinem Innersten bewegt, ermöglicht ein selbstbestimmtes menschliches Umdenken, weil sie nicht als moralische Anrede oder Aufforderungskatalog daherkommt. So etwas weckt in der Regel nur inneren Widerstand. Was bringt Gott nun vor?


Gott ist aufgebracht über menschliche Abtrünnigkeit und Sünde, vor allem, wenn sie als Frömmigkeit getarnt auftritt. Indem Gott dem Propheten seinen Ärger erzählt, demaskiert er sehr anschaulich solche Täuschungen. Gott sieht Menschen fasten, weil sie seine Nähe suchen.
Gleichzeitig halten sie aber an einem schlechten Lebenswandel fest. Schlechter Lebenswandel wird sehr klar als soziale Ungerechtigkeit beschrieben. Wer dies verschuldet, wer daran beteiligt ist und es bleibt, der ist Gott zuwider. Gott kritisiert also nicht so sehr das Fasten, sondern ein dem vorgeblichen Frommsein und der Gottessuche entgegenstehendes Beharren in einem unguten Zustand.

Fasten ist als Form der gedanklichen Reinigung durchaus sinnvoll. Fasten soll aber vor allem das Nachdenken über ein anderes, besseres Handeln sein. Wenn dieses dann nicht folgt, ist es verlorene Zeit.
Das Fasten kann durchaus der richtige Weg sein, sich auf die Suche nach Gott zu begeben. Aber finden wird man ihn nur, wenn es nach dem Fasten nicht so ist wie vor dem Fasten.
Gott beklagt sich, dass Menschen fasten, weil sie meinen, sie können ihn auf diese Weise sozusagen herbeirufen, damit er ihnen zu Diensten sei. Gott ist aber immer schon da. Doch sichtbar wird er im Vollzug eines Lebens, welches sich seiner Gegenwart auch bewusst ist. Wenn die religiöse Handlung nicht dem sonstigen Leben entgegensteht.

Sichtbar und spürbar wird Gott, wenn Menschen nicht mehr Hunger leiden müssen oder ohne Obdach und Kleidung sind oder unter Ausgrenzung leiden. Wo dies geschieht, da ist auch Gott. Um ihn also zu finden, müssen wir uns auf die Suche nach unseren Mitmenschen machen.
In diesem Jahr wird das sicherlich nicht so einfach sein, wie in den Jahren vorher. Aber vielleicht sind es gerade die vielen Hindernisse, die unsere Sehnsucht um so stärker machen. Wenn wir uns nur eingeschränkt treffen können, finden sich andere Wege der Kommunikation. Wir rufen öfter an und für viele sind Videotelefonate eine neue Form geworden.

Auch die Kirchengemeinde wird in den nächsten Wochen wieder überlegen, wie wir Menschen erreichen können, wie wir uns gemeinsam in der Zeit der Passion auf die Suche nach Gott machen können. Und wir wollen dabei immer die anderen um uns herum im Blick behalten. Wenn es uns gelingt, wird nach dieser Zeit Gott auch zu uns sagen: „Siehe, hier bin ich.“


Herzliche Grüße- auch von Jutta Richter-Schröder und Gudrun Schlottmann-

Hardy Rheineck

 
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