Hände reichenLiebe Leserinnen und Leser,

war Jesus immer lieb?
Als Kind war das für mich keine Frage: Der war immer lieb. Während ich Ärger bekam mit meinen Eltern, weil ich den Wasserhahn im Keller angelassen hatte und alles unter Wasser stand, wäre Jesus das nie passiert. Und während ich mich mit meinen Freudinnen stritt, meinen Bruder schuppste, und er mir einen Bauklotz an den Kopf warf, hätte Jesus so etwas nie gemacht.

Allerdings habe ich mich auch gefragt, wie Jesus das hinbekam, immer lieb zu sein. Und dann habe ich gedacht: Natürlich, Jesus!
Aber es war schon irritierend. Und nun, heute diese Worte: (Matthäus 10.34-35)

„Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien. Eltern von Kindern, Geschwister untereinander und Schwiegerkinder und Schwiegereltern.“

Da bin ich noch mehr irritiert. Soll er das wirklich gesagt haben? Will Jesus einen Keil zwischen Familienmitglieder treiben? Will er Familien zerstören?Im ersten Schock höre ich es so.

Doch dann geht mir durch den Sinn: Nein, so kann er es nicht gemeint haben. Hat er doch noch am Kreuz den Jünger Johannes gebeten, für Maria, seine Mutter zu sorgen. Ist doch unter den Jüngern auch sein Bruder Jakobus.

Nein, es geht Jesu nicht darum, Familien zu zerbrechen und seine Jünger mit Schwertern aufzurüsten.

Es geht ihm darum, zu irritieren, ein Ausrufungs-zeichen zu setzen.

Mit dem Ausrufungszeichen sagen diese Worte: So ernst ist es, so bedeutend und wichtig, mit Jesus unterwegs zu sein. Christ zu sein und das in sein Leben aufzunehmen und auch in die kleinen Münzen des Alltags zu übersetzen. So wichtig ist es, das im Miteinander mit Eltern, Geschwistern, Nachbarn, im Stadtteil, in der Politik, am Arbeitsplatz umzusetzen und damit auch zu riskieren, andere zu irritieren. So wichtig, daß es mich auch in den Gegensatz zu Menschen bringen kann, die mir am Herzen liegen.

So wichtig, dass es das ganze Leben betrifft. Ja, das Leben dabei aber auch zu gewinnen ist.

Kann man dabei immer lieb sein? Jesus mutet uns schon zu, auch mit denen gut umzugehen, die wir nicht mögen, die wir nicht kennen, die uns nicht am Herzen liegen. Selig, die barmherzig sind. Selig die, die Frieden stiften, sagt er. Aber er weiß, Frieden stiften geht nicht ohne Konflikt.

Vielmehr sind Friedenstifter ja gerade die, die in die Konflikte reingehen, sie benennen, für Ausgleich und Gerechtigkeit sorgen wollen. Die vermitteln wollen. Und die dann oft genug erstmal von beiden Seiten Ärger bekommen. Denn es ist irritierend, wenn jemand die Grenzen von Zorn, Verletzung, Vorur-teilen, Feindschaft, Fremdheit überschreitet und stattdessen ein Ausrufungszeichen setzt.

Es gibt Menschen, die sich auf solche Wege machen, auch in Familien, auch zwischen Völkern. Geschwister, die irgendwann den Telefonhörer in die Hand nehmen und nach dem Krach wieder anrufen. Runde Tische, die verärgerte Gruppen ins Gespräch bringen. Das kostet Mut und Kraft und Nerven. So kann das sein, darauf bereitet Jesus die vor, die seine Worte annehmen.

Und er sagt auch, was es dabei zu gewinnen gibt:

das Leben!

Jutta Richter-Schröder

 
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